Seit 1978 ist der Aachener Dom UNESCO-Kulturstätte, damals die erste in Deutschland. Instandgehalten wird dieses besondere Gebäude vom Dombaumeister Herrn Maintz und seinem dreiköpfigen Team. Zusammen bilden diese vier Expertinnen und Experten die “Aachener Dombauhütte”. Der Zusammenschluss von mehreren Experten zu einer Dombauhütte schließt an die jahrhundertelange Tradition von Dombauhütten an, die es in ganz Europa gab und gibt. 18 europäische Dombauhütten sind im Dezember 2020 zum immateriellen Kulturgut ernannt worden. Grund genug für die UNESCO-AG, dem Dombaumeister persönlich einige Fragen zu stellen! Das Interview wurde am 2. März über Zoom gehalten.
UNESCO AG: Vielen Dank, Herr Maintz, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um unsere Fragen rund ums Thema “UNESCO-Welterbe/ Immaterielles Kulturerbe” zu beantworten.
Herr Maintz: Gerne, es freut mich, dass junge Menschen hier in Aachen Interesse an diesen beiden spannenden Themen haben.
UNESCO AG: Warum machen Sie Ihre Arbeit so gerne? Warum sind Sie Dombaumeister geworden? (Thure/Carlotta)
Herr Maintz: Es ist eine tolle Aufgabe, man kann viel bewegen. Die Arbeit ist aber nicht nur schön – manchmal haben Firmen etwas falsch gemacht und oft gibt es nicht genügend Geld, um notwendige Reparaturen zeitnah machen zu lassen.
UNESCO AG: Kommen Sie aus Aachen?
Herr Maintz: Ja, ich habe am Karlsgraben gewohnt und bin in St. Paul getauft worden Ich bin also im Dunstkreis des Domes groß geworden. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal der Dombaumeister des Aachener Doms werde. Meine Eltern hatten eine Stuckateur-Firma, die ich eigentlich übernehmen wollte.
UNESCO AG: Warum wollten Sie Dombaumeister am Aachener Dom werden und beispielsweise nicht am Kölner Dom? (Carlotta)
Herr Maintz: Zu Beginn meines Studiums hatte ich noch nicht die Idee, Dombaumeister zu werden. Als junger Ingenieur habe ich dann am Aachener Dom meine erste Arbeitsstelle bekommen. Ich komme, wie gesagt, aus Aachen und bin mit der Stadt verbunden, deswegen hat sich für mich nie die Frage gestellt, ob ich nicht auch Dombaumeister in Köln hätte werden können.
UNESCO AG: Warum ist der Aachener Dom ein Weltkulturrebe? (Melissa)
Herr Maintz: Er ist sogar das erste Weltkulturerbe in Deutschland und wurde 1978 in die Liste der UNESCO aufgenommen. Ziel des UNESCO-Welterbe-Programms ist es, wichtige Bauzeichen und Naturparks der Menschheit jetzt und für die Zukunft zu schützen. Der Aachener Dom hat eine besondere Bedeutung, weil er der älteste (1200 Jahre) in Deutschland ist, unter Karl dem Großen gebaut wurde und Teilbauten mehrerer Epochen umfasst wie das Oktogon oder den Kapellenkranz.
UNESCO AG: Wie lange hat es gedauert, alles über den Dom zu wissen? (Anton)
Herr Maintz: Es ist ein Prozess, der sich entwickelt. Wir haben alle Kapellen nacheinander angepackt, wir lernen von alten Aufzeichnungen: „Was haben unsere Vorgänger gemacht? Hat es funktioniert?“ Auch beim Sanieren lernt man viel, z.B. welchen Mörtel man benutzt hat; außerdem findet man sogar Graffitis oder aber eine Pfeife, die mit eingebaut wurde. Ich kenne noch nicht jeden Stein, wir müssen mit Hilfe neuer Techniken (z.B. Lasertechnik) immer mehr dazulernen.
UNESCO AG: Was ist für Sie besonders am Aachener Dom, zum Beispiel im Unterschied zum Kölner Dom? (Thure)
Herr Maintz: Der Kölner Dom besticht von außen mit den beiden hohen Türmen (158 Meter hoch), er ist das Wahrzeichen der Kölner*innen und man kann ihn immer schon von Weitem sehen. Außerdem ist er die Perfektion der Gotik, aber auch erst im 19. Jahrhundert fertig gestellt worden. Der Aachener Dom ist ganz anders, man kann den Dom nicht von Weitem sehen, aber wenn man eintritt, ist man von der Schönheit gefangen. Man kann verschiedene Bauzeitalter innerhalb von ein paar Metern erleben; z.B. das 8. Jahrhundert im Oktogon, der ganz andere Baustil der Chorhalle aus dem 14. Jahrhundert, die Ungarn-Kapelle oder die Barockzeit mit Putten, Verzierungen und Gold.
UNESCO AG: Haben Sie schon ein Buch oder eine Dokumentation über den Dom geschrieben/verfasst? (Carlotta)
Herr Maintz: Ja, z.B. einige Hefte in der Schriftenreihe des “Dombauverein”. Ich habe aber auch Dokumentationen von dem, was wir gemacht haben, in Fachbüchern und Fachzeitschriften veröffentlicht.
UNESCO AG: Können Sie sich alle Einzelheiten über den Dom merken? (Paul)
Herr Maintz: Ob ich alle Einzelheiten weiß, weiß ich nicht. Das ein oder andere habe ich auch schon wieder vergessen. Wir nutzen verschiedene Mittel, z.B. Datenbanken. Darin stellen wir alles, was wir über den Dom lernen, ein. Wir speichern z.B. 1000 Fotos pro Jahr von Baustellen in grafischen Datenbanken. So können wir unter anderem die Auswirkungen des Klimawandels auf den Dom nachvollziehen: War es wärmer? Gab es mehr Wind?
UNESCO AG: Welche anderen Gebäude in Aachen interessieren Sie und helfen Sie dort auch mit, dass alles imstande bleibt? (Philipp)
Herr Maintz: Interesse habe ich an allen historischen Gebäuden in Aachen und oft werden wir von anderen nach Rat gefragt. Da ich aber beim Domkapitel angestellt bin, habe ich, was z.B. das Rathaus anbelangt, keine Zuständigkeit. Natürlich können wir aber Tipps geben.
UNESCO AG: Worüber machen Sie sich am meisten Sorgen? Was könnte dem Aachener Dom passieren?
Herr Maintz: Meine größten Sorgen gelten Naturgewalten, weil der Aachener Dom ein hohes Gebäude ist; dazu zählen Stürme oder Blitzeinschlag. Wie Notre Dame haben auch wir einen historischen Dachholzstuhl. Wirklich große Sorge habe ich auch an Silvester, denn die Feuerwerkskörper stellen eine große Brandgefahr dar. Aus diesen Gründen ist der Dom mit Rauchmeldern und einem Sprinklersystem ausgestattet.
UNESCO AG: Treffen Sie sich auch manchmal mit anderen Dombaumeistern/ Dombaumeisterinnen in Deutschland oder in Europa? (Frau Gray)
Herr Maintz: Ja, wir treffen uns regelmäßig, zurzeit natürlich digital. Wir fragen einander um Rat und tauschen Erfahrungen zu Sanierungsmaßnahmen aus. Was bei uns am Aachener Dom Probleme gemacht hat, davor kann man Dombauhütten in anderen Städten warnen. Vor einigen Jahrhunderten zogen die Handwerker noch im Land umher und tauschten so neue Arbeitstechniken aus. Heute geht das auch ohne Wandern.
UNESCO AG: Arbeiten Sie noch mit anderen Institutionen zusammen, wie zum Beispiel der FH oder der Universität?
Herr Maintz: Ja das tun wir; ich halte z.B. auch Vorlesungen an der FH und RWTH. Zusammen mit der RWTH haben wir sogar schon speziellen Fugenmörtel hergestellt. Außerdem hat die FH den Dachstuhl gescannt und zusammen mit der Dombauhütte einen Plan für die Handwerker*innen erstellt. Mit den Universitäten und anderen Dombauhütten wird also oft und intensiv zusammengearbeitet.
UNESCO AG: Wird zurzeit etwas Bestimmtes am Dom repariert?
Herr Maintz: Wir sind gerade mit der Taufkapelle fertig geworden. Darüber habt ihr vielleicht auch in den lokalen Medien gelesen. Das war ein größeres Projekt.
UNESCO AG: Was waren die stärksten Schäden, die Sie bis jetzt reparieren mussten?
Herr Maintz: Wir haben schon Risse reparieren müssen, die von Erdbeben stammen oder Steine wieder einsetzen müssen, die herausgefallen waren. Die Chorhalle wurde sieben Jahre lang saniert und beim 16-Eck musste das Bleidach ausgebessert werden. Einmal haben wir mit einem Kran auf den Westturm geschaut und gemerkt, dass das Kreuz so wackelig war, dass wir erst gleich mit nach unten genommen haben.
UNESCO AG: Der wievielte Dombaumeister sind Sie?
Herr Maintz: Die Aufzeichnungen aus den letzten Jahrhunderten sind da etwas ungenau, aber ich schätze es gab ca. 60 Dombaumeister, wenn man eine Dienstzeit von je 20 Jahren annimmt. Meine Vorgänger im letzten Jahrhundert waren: Herr Dr. Siebigs, Herr Dr. Hugot, Herr Dr. Kreusch und Herr Prof. Buchkremer. Es ist schön, in so einer Reihe von Dombaumeistern zu stehen.
Vielen Dank, Herr Maintz, für Ihre Zeit und für diesen interessanten Einblick in Ihre Arbeit. Wir sind stolz darauf, dass es in Aachen eine UNESCO Welterbestätte und jetzt auch immaterielles Welterbe gibt! Alles Gute für Ihre Arbeit und für die Zusammenarbeit mit den anderen Dombauhütten in Deutschland und Europa!